===Kindheit und Jugend in Ostpreußen, wissenschaftliche Ausbildung in Gießen=== D. wurde 1889 in Bergfriede/Ostpreußen geboren. Er besuchte die Volksschule Bergfriede, ging ab 1900 auf das humanistische Gymnasium Osterode und legte 1908 das Abitur ab. D. absolvierte eine landwirtschaftliche Lehre in Brödinen, studierte 6 Semester Rechts- und Staatswissenschaften in Berlin und 3 Semester Landwirtschaft und Forstwissenschaft in Gießen. 1913 promovierte er unter Leitung von Prof. [http://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Gisevius Paul Gisevius] zum Thema "Systematik des Roggens durch Untersuchungen über den Ährenbau" und arbeitete anschließend als Assistent am Landwirtschaftlichen Institut der Universität. Mit "Untersuchungen über Keimkraft und Triebkraft und über den Einfluss von Fusarium nivale" habilitierte sich D. 1917. Ein Jahr später erfolgte die Ernennung zum Abteilungsvorstand am Landwirtschaftlichen Institut in Gießen. D. lehrte bis 1919 als Privatdozent Acker- und Pflanzenbau, publizierte zu Düngung und Streckung des Kartoffelsaatgutes und leitete die Samenkontroll- und Maschinenprüfstation der Landwirtschaftskammer Wiesbaden. Damit konnte er Wissenschaft und Praxis eng verknüpfen. ===Leitung der Landwirtschaftlichen Versuchsanstalt Pommritz=== ====Historischer Hintergrund==== Im Jahre 1919 begann in Sachsen eine Umstrukturierung des landwirtschaftlichen Versuchswesens mit dem Ziel, die Landwirtschaft wieder rentabel und damit konkurrenzfähig zu machen. Aus den ehemaligen, dem Innenministerium unterstehenden Versuchsstationen gingen drei zum Verantwortungsbereich des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit gehörende Versuchsanstalten hervor: in Leipzig-Möckern unter Leitung von Prof. Gustav Fingerling, in Dresden unter Leitung von Prof. [[Carl Bruno Max Steglich]] und ab 1920 in Pommritz mit Derlitzki als erstem Direktor, der außerdem zum Professor berufen wurde. Die ehemalige Versuchsstation (1857 auf dem Rittergut Weidlitz gegründet, 1864 nach Pommritz verlegt) wurde dafür mit den 123 ha des Rittergutes Pommritz (1863 durch die landständische Bank des Königlich-Sächsischen Markgrafentums Oberlausitz von den Erben des Carl Friedrich Wilhelm v. Zenker als Versuchsgut erworben) unter die einheitliche Leitung durch D. gestellt. Seit der Amtszeit von Prof. [[Eduard Heiden]] bestand in Pommritz eine Tradition der Forschung auf dem Gebiet der Agrikulturchemie. Mit der Umstrukturierung erfolgte gleichzeitig eine thematische Umorientierung auf die landwirtschaftliche Betriebslehre unter besonderer Berücksichtigung der Landarbeitslehre einschließlich des landwirtschaftlichen Maschinenwesens. Die Versuchsanstalt in Pommritz war die erste Einrichtung in der Welt mit einem solchen Profil. ====Profilierung als Anstalt für Landarbeitslehre==== Die Entwicklung der Landarbeitslehre zu einer selbstständigen Disziplin ist das große, bleibende Verdienst D.s. Sein Ziel bestand in der Gesundung der Landwirtschaft durch Senkung der Gestehungskosten pro Produktionseinheit bei voller Berücksichtigung der Arbeitsqualität. Er propagierte zwar eine Rationalisierung nach den Lehren des [http://de.wikipedia.org/wiki/Frederick_Winslow_Taylor Taylorismus], wies aber stets auf Besonderheiten der Landwirtschaft gegenüber der Großindustrie hin. D. sah Mechanisierung immer auch als Schutz der Menschen vor Überanstrengung und gesundheitlichen Schädigungen an. Das 1922 erstmalig erprobte, arbeitssparende Ernteverfahren für Zuckerrüben - das "Pommritzen" - bildet auch heute noch die Grundlage der Rüben-Vollerntemaschine. Weitere bekannte Verfahrensentwicklungen unter D.s Leitung betreffen die "Rübensamenmühle" (zur Trennung der Samen), den "Pommritzer Walzenwagen" für einen effizienten Felddrusch und den "Pommritzer Bauernkran" (zur Handhabung der Dungkarre). Darüber hinaus erfolgten Untersuchungen zu verschiedenen Heubergungsverfahren und erstmals in der Landwirtschaft arbeitsphysiologische Studien mit Hilfe von Respirationsapparaten. ====Rationalisierung auch für die Bäuerinnen==== Zusammen mit seiner Frau richtete D. 1926 eine eigenständige hauswirtschaftliche Abteilung zur Rationalisierung der Arbeit der Landfrauen in Hof, Haus, Stall und Garten ein. Sie wollten Misstrauen der Bäuerinnen gegenüber neuen Arbeitsmethoden abbauen, machten die "Pommritzer Wanderkurse" populär und wollten so dazu beitragen, die traditionelle Überbelastung der Bauersfrauen zu überwinden. Ausgangspunkt der Überlegungen war, dass schlechte Arbeitsorganisation und -hygiene verantwortlich für körperliche Überforderung seien, z. B. durch anhaltendes Arbeiten im Stehen. D. führte deswegen den "Pommritzer Kartoffelauslesetisch" ein, der die Arbeit im Sitzen ermöglichte. ====Internationale Anerkennung, Jahre eines rasanten Wachstums==== Die Arbeit D.s war international anerkannt. Er fungierte ab 1927 als wissenschaftlicher Beirat und Vorsitzender des Ausschusses für Landarbeitsforschung des Internationalen Agrarinstituts in Rom und übernahm 1932 die Leitung eines Referates in der Sektion für Arbeitshygiene des Völkerbundes. Unter D. hatte die Versuchsanstalt Pommritz Weltgeltung. Studiengäste kamen, um im Ausland Einrichtungen nach dem Pommritzer Vorbild aufzubauen. Um die internationale Bekanntheit zu erhöhen, nutzte er u. a. auch das neue Medium Film. Gleichzeitig verlor er aber nie die Arbeit in Pommritz aus den Augen. Bis 1928 wurde die Versuchsanstalt erheblich erweitert. Neben dem gepachteten Rittergut Drehsa (352 ha) kam auch ein 30 ha großes Versuchsgut in Steindörfel (nach D. "Georgenhof" genannt) hinzu, wo neue Technologien demonstriert werden konnten. In Sornßig wurden zudem ab 1926 Waldbauversuche durchgeführt. 1931 hatte die Versuchsanstalt Pommritz ca. 130 Mitarbeiter. ===Entlassung in Pommritz durch die Nazis, Umzug nach Kindisch=== D. durchschaute frühzeitig die Ideologie der Nazis und lehnte es ab, NSDAP-Mitglied zu werden. Weil er sich gegen die Außerbetriebsetzung von Landmaschinen zur "Schaffung" von Arbeitsplätzen wehrte, erhielt er am 28.3.1934 die Kündigung. Sie wurde auch nicht zurückgenommen, als die Pommritzer Belegschaft, einschließlich von NSDAP-Mitgliedern, dagegen protestierte. D. übernahm einen 35 ha großen Bauernhof in Kindisch bei Kamenz ("Luisenhof") und bewirtschaftete ihn nach seinen Erkenntnissen der Landarbeitsforschung. Der Hof hatte eine große Ausstrahlung auf die Umgebung. Auch hier blieb D. wissenschaftlich tätig. Zwischen 1935 und 1942 führte er im Auftrag des "Reichskuratoriums für Technik in der Landwirtschaft" arbeits- und wärmewirtschaftliche Versuche in 34 Orten Deutschlands und 2 Dörfern Österreichs durch, um eine schnellere Verbreitung der Elektrizität im ländlichen Raum zu erreichen. Die Untersuchungen galten v. a. der Nutzung von Elektrowärmegeräten, um den Verbrauch fester Brennstoffe zu reduzieren und durch erhöhte Nachfrage den Strompreis zu senken. ===Beteiligung am Wiederaufbau der Landwirtschaft nach 1945=== Nach 1945 beteiligte sich D. am Wiederaufbau der Landwirtschaft, z. B. durch Leitung der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe in Kindisch, ab 1948 mit der Leitung des DLG-Ausschusses für Landarbeit in Berlin und in der Arbeitsgemeinschaft für Landarbeitsforschung (DAL). Aufgrund einer politisch motivierten Verleumdung wegen angeblich schlechter Behandlung von Zwangsarbeitern in Kindisch musste er mehrfach für mehrere Monate in Untersuchungshaft. Tatsächlich hatte er aber abgelehnt, in die SED einzutreten; die französischen Zwangsarbeiter waren nach der Befreiung zunächst sogar noch freiwillig in Kindisch verblieben, um das Gut zu schützen. 1949 wurde er endgültig freigesprochen. D. nahm eine beratende Tätigkeit beim Ausbau der arbeitswissenschaftlichen Forschung in Halle-Etzdorf auf. Ab 1950 unterstützte er die Gründung einer "Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt Gundorf" in der Nähe von Leipzig, wo die Pommritzer Tradition fortgeführt wurde. 1952 erhielt er einen vollen Lehrauftrag für Landarbeitslehre an der Landwirtschaftlichen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, wo er bis zur Emeritierung 1955 erfolgreich eine fundierte Landarbeitsforschung aufbaute. D. war zunehmend von der Landwirtschaftspolitik der DDR enttäuscht. ===Erinnerungen=== 1958 verstarb D. kurz nach Vollendung seines 69. Lebensjahres in Kindisch. Der Hof in Kindisch ist von Frau und Tochter bis 1960 weitergeführt worden. Sein Ruf in der Fachwelt überdauerte die Zeit. So machte noch Anfang der 1960er Jahre Dr. Giese von der Universität Leipzig Studenten der Landwirtschaft auf Exkursionen nach Ostsachsen mit D.s Leistungen vertraut. In Pommritz/Hochkirch ist lange dessen späteres Schicksal unbekannt geblieben. Die Versuchsanstalt konnte nach 1945 nicht wie geplant als Forschungsinstitut zur Sicherung der Bodenreform genutzt werden, weil geeignete Fachkräfte fehlten, und wurde schließlich zum "Volksgut Gerhart Eisler". Eine Grabstätte auf dem Friedhof in Elstra erinnert noch heute an D., seine Ehefrau und seinen im Krieg gefallenen Sohn. Artikel zu Georg Derlitzki von Frank & Uwe Fiedler im Biographischen Lexikon der Oberlausitz, 2011