===Kindheit und Jugend in Bautzen=== S. wurde am 4.1.1816 in Bautzen geboren. Er verdankte entscheidende Anregungen während der Kindheit seinem Vater. [[M. Gerhard Heinrich Jacobjan Stöckhardt]] war ein hoch gebildeter Mann. Als Privatdozent vertrat er an der Universität Leipzig Philosophie, Sprachwissenschaft und Kunsttheorie. 1804 erhielt ''Stöckhardt sen.'' die Berufung als Pfarrer an den [http://de.wikipedia.org/wiki/Dom_St._Petri_(Bautzen) Petridom Bautzen]. Zur Familie gehörten u. a. die älteren Halbbrüder [[Gerhard Julius Stöckhard]]t und [[Robert Stöckhardt]]. Der Vater wirkte in Bautzen außerdem als [http://de.wikipedia.org/wiki/Meister_vom_Stuhl Meister vom Stuhl] der Freimaurerloge ''Zur goldnen Mauer''. Die Bautzener Freimaurer machten sich seinerzeit um ihre Mitbürger verdient, indem sie u. a. unentgeltlich naturkundlichen Unterricht gaben. Es wurde auch für den Sohn zur Mission, einer breiten Bevölkerungsschicht fundiertes Fachwissen zu vermitteln. S. sollte zunächst wie sein Vater eine theologische Berufslaufbahn einschlagen. Er besuchte in Bautzen das Gymnasium unter dem Rektor [[Karl Gottfried Siebelis]] und erhielt Privatunterricht in Italienisch und Französisch. Krankheitsbedingt musste er jedoch 1832 das Gymnasium vorzeitig verlassen. ===Landwirtschaftliche Praxis und Lehrertätigkeit in der Oberlausitz=== Ein Inspektor der Güter Milkel, Lomske und Luppa des [[Heinrich, Graf von Einsiedel|Grafen v. Einsiedel]] bildete den Jungen ab 1832 in Landwirtschaft aus. 1834 konnte dieser die Stelle eines Verwalters auf dem Rittergut Jessnitz bei Kamenz übernehmen, ab 1837 arbeitete er als Verwalter auf dem Rittergut Lippitsch. S. eignete sich im Selbststudium umfangreiche landwirtschaftliche Kenntnisse an und wurde 1839 zum Administrator des Rittergutes Purschwitz berufen, das sich damals im Besitz der Stadt Bautzen befand. In Purschwitz heiratete S. die Tochter Coelestine des Pfarrers ''Wilhelm Mitschke''. Als die Stadt Bautzen das Rittergut Purschwitz verkaufen wollte, pachtete er 1842 das Rittergut Brösa bei Bautzen und gründete hier 1847 ein privates landwirtschaftliches Lehrinstitut. Sein Ziel bestand darin, den angehenden Landwirten das theoretische wie praktische Rüstzeug zu vermitteln, um sie auf das Berufsleben optimal vorzubereiten. S. stattete das Institut mit mineralogischen und botanischen Sammlungen, Fachzeitungen und einem Laboratorium aus. Zu seinen wichtigsten Mitarbeitern in Brösa gehörte ab 1847 [http://de.wikipedia.org/wiki/Emil_von_Wolff Emil von Wolff] als Lehrer der Naturwissenschaften. S. war Vorsitzender des 1848 gegründeten Klixer Landwirtschaftlichen Vereins, der sich neben landwirtschaftlichen Fragen der Ausbildung sowie der Teichwirtschaft widmete, und beteiligte sich am ''Land- und forstwirthschaftlichen Wochenblatt des sächs. Markgrafthums Oberlausitz''. Die wissenschaftlichen Kontakte mit ''von Wolff'' blieben auch bestehen, nachdem dieser als Gründungsdirektor an die landwirtschaftliche Versuchsstation Leipzig-Möckern und später als Professor nach Hohenheim berufen wurde. ===Professur in Chemnitz und Gründung einer landwirtschaftlichen Versuchsstation=== S.s Leistungen machten ihn schnell außerhalb der Oberlausitz bekannt. 1849 arbeitete er in einer Kommission zur Erörterung der Grundsteuerverhältnisse im Erzgebirge mit. Ein Jahr später erhielt er die Berufung zum Professor und zum Aufbau einer landwirtschaftlichen Abteilung der Königlichen Gewerbeschule in Chemnitz. An dieser Schule war von 1838-1847 schon sein Cousin (4. Grades), der spätere berühmte Tharandter Agrikulturchemiker und Nestor des landwirtschaftlichen Versuchswesens [http://de.wikipedia.org/wiki/Julius_Adolph_Stöckhardt Prof. Julius Adolph Stöckhardt] tätig gewesen, auf dessen Initiative die Gründung der Versuchsstation Leipzig-Möckern unter ''von Wolff'' als erste Einrichtung ihrer Art in Deutschland zurückging. Schon 1852 publizierte S. mit dem Lehrbuch über Drainage sein wohl bekanntestes Werk, wenig später das gemeinsam mit ''A. Stöckhardt'' überarbeitete Standardbuch ''Der angehende Pachter''. Der landwirtschaftliche Kreisverein im Erzgebirge gründete 1853 zusammen mit der Chemnitzer Gewerbeschule eine landwirtschaftliche Versuchsstation, zu deren Leiter S. berufen wurde. Damit erhielt er die Möglichkeit, die Ausbildung der Studenten mit praktischen Versuchen zu verbinden. S. gab einer praxisorientierten, wissenschaftlich fundierten Ausbildung den Vorrang gegenüber Grundlagenuntersuchungen. Er sah sich dabei auf einer Linie mit [http://de.wikipedia.org/wiki/Albrecht_Daniel_Thaer Albrecht Daniel Thaer]. Von 1855 bis 1866 war er Herausgeber und leitender Redakteur der ''Zeitschrift für deutsche Landwirthe'' in der Nachfolge von ''A. Stöckhardt''. Kurz vor S.s Wechsel nach Jena kam von dort [http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Nobbe Friedrich Nobbe] als Lehrer nach Chemnitz. Er wurde von beiden ''Stöckhardts'' stark gefördert und entwickelte sich später in Tharandt zu einem international bedeutenden Samenkundler. Als S. Chemnitz verließ, hinterließ er eine spürbare Lücke. Seiner Ausstrahlung als Lehrer war es zu verdanken, dass die Studentenschaft der landwirtschaftlichen Abteilung auf fast ein Drittel der gesamten Gewerbeschule angewachsen war. ===Professur in Jena und Gründung einer landwirtschaftlichen Versuchsstation=== 1861 erfolgte die Berufung von S. an die Universität Jena als Direktor des landwirtschaftlichen Lehrinstituts. Sein Vorgänger, [http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Gottlob_Schulze Friedrich Gottlob Schulze], hatte hier 1826 das erste universitäre landwirtschaftliche Institut in Deutschland überhaupt gegründet. Diese Lehrtradition fortsetzen zu dürfen, war für S. eine große Auszeichnung. Er gründete 1862 eine landwirtschaftliche Versuchsstation, die er bis 1872 leitete. Gleichzeitig war er Direktor der Ackerbauschule Zwätzen, Vorstand des landwirtschaftlichen Vereins und der Thüringer Wanderversammlung sowie von 1863 bis 1872 Herausgeber der ''Landwirtschaftlichen Zeitung für Thüringen''. S. leistete in Jena Bahnbrechendes. Die mit ihm eingeführte Personalunion vom Direktor der Lehranstalt und Leiter der Versuchsstation erwies sich als Erfolgsmodell, denn sie erweiterte die materiellen Möglichkeiten der Studentenausbildung. Der Lehrplan wurde stetig erweitert und umfasste auch naturwissenschaftliche Grundlagen. S. gewann u. a. solche bekannten Wissenschaftler wie [http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Snell_(Physiker) Karl Snell] und [http://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Abbe Ernst Abbe] für die Ausbildung seiner Studenten. Die steigenden Studentenzahlen ebneten den Weg für weitere Landwirtschaftsinstitute, z. B zwischen 1869 und 1872 in Leipzig, Gießen und Göttingen - die deutsche Agrarwissenschaft und mit ihr die landwirtschaftliche Produktion erlebten einen großen Aufschwung. S. ist für seine Leistungen vielfach geehrt worden. Die Friedrich-Schiller-Universität Jena verlieh ihm die Ehrendoktorwürde. Seit dem 8.6.1862 war er Mitglied der [http://de.wikipedia.org/wiki/Leopoldina Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina] zu Halle/Saale und er war Mitglied der [http://de.wikipedia.org/wiki/Gesellschaft_Deutscher_Naturforscher_und_Ärzte Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte]. Dem deutschen Landwirtschaftsrat gehörte er seit dessen Gründung 1872 an. Im selben Jahr ernannte ihn das Großherzogliche Weimarer Staatsministerium zum Referenten und Vortragenden Rat für Landwirtschaft und Gewerbe und gleichzeitig zum Finanzkommissar der Universität Jena. In diesen Funktionen initiierte er u. a. die Gründung einer Gewerbekammer für das [http://de.wikipedia.org/wiki/Großherzogtum_Sachsen Großherzogtum Sachsen]. ===Rückkehr zu den Oberlausitzer Wurzeln=== Die Lehrjahre in der Landwirtschaft der Oberlausitz hatten S. nachhaltig geprägt. Er erkannte die große Bedeutung einer systematischen Ausbildung von Landwirten für die Hebung des Wohlstandes der Menschen. Die Tätigkeit als Landwirtschaftslehrer wurde zu seiner eigentlichen Passion. Die Verbindung von Ausbildung und Praxis war ihm wichtiger als eigener wissenschaftlicher Ruhm. S. hat dabei nie seine Wurzeln vergessen. Die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz hat ihn 1862 zum ordentlichen Mitglied berufen. 1863 stiftete er dem Gymnasium Bautzen einen Jahrgang der ''Zeitschrift für deutsche Landwirthe'' und er war Mitglied und später [http://de.wikipedia.org/wiki/Meister_vom_Stuhl Meister vom Stuhl] der Freimaurerloge ''Zur goldnen Mauer'' Bautzen. Nachdem er 1888 in den Ruhestand getreten war, kehrte S. nach Bautzen zurück, um in seiner Geburtsstadt den Lebensabend zu verbringen. Er war weiterhin sehr aktiv und führte historische Forschungen durch, darunter zum Freimaurertum und zur Oberlausitzer Adelsfamilie von Damnitz (Brösa). S. ist am 27.3.1898 in Bautzen gestorben und wurde in der Familiengruft in Jena bestattet. Artikel zu Ernst Stöckhardt von Frank & Uwe Fiedler im Biographischen Lexikon der Oberlausitz, 2011